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UDONGO. Jasper de Beijer. Presstext zur Ausstellung. TZR Galerie Kai Brückner
4.9. bis 31.10.2009

Udongo. Das Wort findet im europäischen Sprachschatz vorerst keine Entsprechung. Sein Klang jedoch erzeugt Bilder aus Afrika und verortet Udongo zwischen Stroh- und Wellblechhütten, Agrarkultur und Ölkanistern, mystischen Ritualen und Korruption. Vor dem geistigen Auge des Betrachters erwächst ein irrealer afrikanischer Ort aus imaginierten und medial vermittelten Bildern, von anthropologischen Studien aus dem 19. Jahrhundert über Expeditionsberichte bis hin zu Bilderstrecken von Kindersoldaten aus politischen Magazinen.

Der Niederländer Jasper de Beijer ist ein Sammler dieser Vorstellungsbilder und ihrer Ursprünge. Er konstruiert in seinen großformatigen Fotografien Sujets, anhand derer man die Dichotomie von urbaner afrikanischer Tradition und gescheiterter Modernisierung durch den Kolonialismus ablesen kann. Ein Autoreifen dient als Feuerstelle und die Musik zum Voodoozauber dröhnt aus einem Ghettoblaster.

Der Künstler setzt sich mit der europäischen Kolonialgeschichte und der damit einhergehenden Konstruktion von Fremdheit und Geschichte sowie mit deren Vermittlung innerhalb unseres kulturellen Kontextes auseinander. Eine Thematik, die als roter Faden bereits alle bisher entstandenen Serien „Buitenpost“, „The Devil Drives“, „Cahutchu“, „Heroes and Ghosts“, „Le Sacre De Printemps“ und „The Riveted Kingdom“ miteinander verknüpfte. De Beijer interpretiert Kolonialismus gemäß dem lateinischen Wortstamm „colere“, was „bauen/ kultivieren“ bedeutet. In Bezugnahme auf seine Erinnerungen an eine Afrikareise und auf (später in langwieriger Recherche) gesammelte Quellen baut er dreidimensionale Miniaturlandschaften in sein Studio ,um diese im Anschluss fotografisch zu fixieren. Direkt körperlich beteiligt ist der Künstler beim Arangement des Bildpersonals. Neben einer beinahe lebensgroßen Puppe, die er in verschiedenen Positionen arrangiert und fotografiert, schlüpft de Beijer selbst in ein Affenkostüm oder in eine Ganzkörpermaske. Als Akteur vor der Kamera fungiert er in einigen Bildern der Serie 'Udongo' als darstellendes Objekt innerhalb einer kulissenartigen Studiolandschaft.

Die eindringlichen Szenarien in 'Udongo' entstehen sowohl durch Montagearbeit am Computer als auch mit Hilfe gebauter Bühnen. De Beijers Figuren und Orte wachsen digital zusammen. Dabei leugnen seine Bilder gerade nicht ihren Charakter der Konstruktion und Inszenierung.

Trotz des betont kulissenhaften Eindrucks der Darstellungen haben sie nur wenig von ihrer realistischen Wirkung einbüßen müssen. Die Größe der Arbeiten, Lichtregie und Kompositionen binden den Betrachter unmittelbar in das Geschehen ein: In einem Zimmer bei diesigem Gegenlicht sitzt ein Mann mit Sonnenbrille, flankiert von zwei weiteren Männern, an einem Tisch. Dieser wird mit der Kante an den unteren Bildrand gerückt, wodurch sich das Bild in den Betrachterraum öffnet und die Schwelle zwischen Konstruktion und Wirklichkeit markiert. So zitiert de Beijer bewusst jene Aspekte medialer Bildgestaltung, auf der unser „Fürwahrhalten“ gründet. Zu vertraut erscheinen die vermummten jungen Afrikaner die mit ihrem ausrangierten Pick-up durch den Sand jagen.

Ähnlich wie Valentin Mudimbe den afrikanischen Kulturraum als Erfindung einer europäischen Weltsicht beschrieben hat, zeigt Jasper de Beijer ein Afrika, das sich in der Peripherie von importierten Gütern und „natürlicher Ursprünglichkeit“ befindet. De Beijers Afrika erblüht auf dem Boden seine Inszenierungen. Boden heißt auf Swahili 'Udongo'. Der Künstler untersucht in all seinen Serien Distanzen. Ereignisse und Orte seiner Sujets sind weit entfernt oder lange her oder beides. Überbrückung durch Vermittlung entlarvt er als Kriterium von Konstruktion. Ohne selbst zu werten, untergräbt der Künstler Klischees, indem er sich ihrer bedient, und hebt dadurch das Manipulationspotential medialer Bilder hervor

Jasper de Beijers neunteilige Serie „Udongo“ ist ab dem 4. September 2009 in der TZR Galerie in Düsseldorf zu sehen.


PRESS RELEASE

5th of September 2009 to 31st of October 2009
Opening reception 4th of September 2009, 6 to 10 p.m

Udongo. At first, the word doesn't find a correspondence in the European vocabulary. But its sound creates images from Africa and locates Udongo between straw-and corrugated metal sheet shanties, agriculture and oilcans, mysterious rituals and corruption. In front of the spectator's mind's eye a surreal African village grows, composed of imagined and mediated images, starting at anthropologic studies from the 19th century, via expedition reports, to photo spreads of child soldiers in political magazines.

The Dutch Jasper de Beijer collects these images and their origins. He constructs subjects in his large-scale photographs, on behalf of which one can read the dichotomy of urban African tradition and failed modernization through colonialism. A car tire serves as a fireplace and the music for the voodoo magic comes from a ghetto blaster. The artist deals with the European colonial history and the construction of foreignness and history as well as their intermediation in our cultural context. A theme which connects all of the series «Buitenpost», «The Devil Drives», «Cahutchu», «Heroes and Ghosts», «Le Sacre De Printemps» and «The Riveted Kingdom».


De Beijer interprets colonialism according to the Latin root »colere«, meaning, »build/cultivate«. In a reference to his memories of a journey to Africa and to his (later in an interminable research) collected sources, he proceeds to build three-dimensional miniature landscapes in his studio, fixating them photographically at the end. The artist participates directly and physically with the arrangement of the characters. Next to an almost life-sized doll, which he puts in different positions and photographs, de Beijer also puts on an ape costume or a whole-length mask himself. As an actor in front of the camera he also works as a performing object in his scenery-like studio landscape.

The striking sceneries in Udongo are created with montages on the computer as well as with the help of built stages. De Beijers characters and spaces grow together digitally. But the pictures do not deny their nature as a construction and staging.

Even though giving a very stage-like impression of the displays, they do not lose their realistic effect that much. The scale of the works, lighting and composition integrate the spectator immediately into the events: in a room with misty backlight, a man sits at a table with sunglasses, flanked by two other men. The table is drawn to the edge of the picture, opening the image towards the space of the observer and marking the barrier between construction and reality. De Beijer consciously quotes those aspects of media image creation, on which our credibility is founded. The young Africans chasing away on their pick up truck seem just all too familiar.

Similarly to Valentin Mudimbe, who described the African cultural area as an invention of the European worldview, Jasper de Beijer presents an Africa that rests at the periphery of imported goods and »natural nativeness«. De Beijer's Africa blooms on the ground of a staging. Ground is called »Udongo« in Swahili. The artist examines distances in all of his works. Events and locations of his subjects are either far away or happened long ago or both. He exposes the act of bridging through intermediation as a criterion of construction. Without judging himself the artist undermines clichés by making use of them, and in that emphasizes the potential of manipulation of media images. Jasper de Beijers nine-part series "Udongo" can be seen at TZR Gallery Düsseldorf from September 4th 2009 on.
TZR Galerie Kai Brückner