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Handelsblatt Kunstmarkt | 1., 2. und 3. Sept. 2006 | Nr. 169 | Seite 1 | www.handelsblatt.com

Düsseldorf gibt sich figurbetont

Die Museen der Stadt haben das Thema „Körperdarstellungen“ für die 1. Quadriennale gewählt. Diese Vorgabe variieren 43 Galerien facettenreich.

Von Stefan Kobel | Düsseldorf, 1. September 2006 An Stelle der üblichen „Parallel“-Eröffnungen zum Saisonauftakt laden die Düsseldorfer Galerien am 1. und 2. September zu einer gemeinsamen „Herbsteröffnung im Rahmen der Quadriennale Düsseldorf “. Statt eines Faltblatts leisten sich die 43 Teilnehmer ein 50 Seiten starkes Begleitheft, in dem Platz ist für je einen kurzen Text und die Darstellung des Zusammenhangs der eigenen Ausstellung mit dem Motto der Quadriennale 2006 (Qu 06): der menschliche Körper und seine Darstellungen in der Kunst.

Leidet die „Qu 06“ mit ihrer Hand voll teilnehmender Institutionen schon unter dem etwas gewollt wirkenden Oberthema, zeigt sich die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens bei dem Versuch, mehrere Dutzend völlig verschiedene Galerien unter einen Hut zu bringen.

Kunst fragt nach Rollen und Selbstinszenierung

Sies + Höke etwa versuchen sich gar nicht erst zu verbiegen. Die Leinwände und Zeichnungen ihrer amerikanischen Künstlerin Mari Eastman zeigen selten Menschen, diese sind vielmehr ein Sujet unter vielen. Das macht die nur scheinbar mädchenhaft- romantischen Bilder jedoch nicht weniger interessant, tun sich unter den dekorativen Oberflächen doch zumeist subtil Abgründe auf (Zeichnungen ab 1 000 Euro, Gemälde ab 2 400 Euro).

Händler wie die Galerie Ludorff mit ihrer Themenausstellung „Kinder in der Kunst“ oder Remmert & Barth, die „Körper - Körper - Körper“ zeigen, können in der Klassischen Moderne aus dem Vollen schöpfen. So offerieren Letztere mit Jankel Adlers Gemälde „Soldat im Bordell“ (14 000 Euro) eine kleine Holztafel, die kaum treffender ausgewählt sein könnte. Bei Konrad Fischer hat man sich der Aufgabe elegant entzogen, indem man Thomas Schütte geradezu museal mit seinem gesamten Spektrum präsentiert. Neben Modellen und einer kompletten Wohnung aus Editionsmöbeln sind auch einige seiner bekannten keramischen Köpfe zu sehen.

Galerien wie Lausberg mit ihrem konsequent ungegenständlichen Programm schauen allerdings in die Röhre. Der Betrachter hingegen sieht hier in Kästen. Denn die abstrakten Gemälde von Michael Burges (5 000 bis 14 000 Euro) sind dem Blick nicht direkt zugänglich. Sie können nur durch geriffeltes Glas (eine so genannte Diffusorscheibe) betrachtet werden und entziehen sich durch diese - immerhin - Körperlosigkeit der Aneignung.

Nebenan bei Wolfgang Gmyrek hat man die Chance genutzt, mit „Body Scenes“ einen themenbezogenen Querschnitt durch das eigene Künstlerrepertoire zusammenzustellen. Alte und neue Arbeiten zeigen Kontinuität und Entwicklung im Werk der Jungen Wilden, mit denen Gmyrek groß geworden ist. Bald 20 Jahre liegen zwischen den beiden wandfüllenden Gemälden „Graues Atelier“ (94 000 Euro) und „Vielfigurig“ (87 000 Euro) von Norbert Tadeusz. Während die Atelierszene aus dem Jahr 1985 in der Art eines Wimmelbildes Akte, Körperteile und Tierhälften am Set eines Pornodrehs zu versammeln scheint und dabei munter die Kunstgeschichte von Degas bis Bacon zitiert, wirken die ordentlich vor dunklem Hintergrund gereihten Akte von 2002 in ihren akrobatischen Posen eher wie ein abgeklärter Kommentar zum Gesellschaftszirkus, den wir letztlich doch alle nur in des Kaisers neuen Kleidern betreten.

Hans Mayer hat für Jürgen Klauke mit der Quadriennale das ideale Umfeld gefunden. Als Pionier der künstlerischen Fotografie setzt sich Klauke seit den 1970er-Jahren in seinen Selbstinszenierungen mit Rollenzuweisungen, Identitätskrisen und Neurosen auseinander. Kaum ein männlicher Künstler hat den eigenen Körper derartig thematisiert wie er: „Meine Bilder, so hoffe ich, transzendieren unseren Spagat, unser Bemühen, unsere Lächerlichkeit. Mit der notwendigen Strenge und Reduziertheit, damit es nicht der Lächerlichkeit preisgegeben wird, sondern darüber hinausweist“, so Klauke anlässlich seiner Retrospektive in der Bundeskunsthalle 2001.

Seine neuen großformatigen Fotos mit dem Titel „Ästhetische Paranoia“ überraschen durch noch größere formale Strenge, die neben dem schwarz gekleideten Klauke selbst - mit meterlanger schwarzer Perücke - lediglich ein weißes Bett vor dunkelgrauem Hintergrund kennt (3er-Auflage, 22 000 und 40 000 Euro).

Bereits vor über 60 Jahren provozierte die Auseinandersetzung der Italienerin Carol Rama mit Geschlechteridentität und Gewalt. Ihr freizügiges Aquarell „Dorina“ aus dem Jahr 1940, in dem einer breitbeinig sitzenden Frau, die nur mit einem Lorbeerkranz bekleidet ist, eine Schlange aus dem Schritt gleitet, soll bei der Galerie Parduhn 50 000 Euro kosten. Jüngere Arbeiten in surreal dadaistischer Tradition sind ab 5 300 Euro zu haben.

Mit der TZR Galerie - vor zehn Jahren in Bochum gegründet - hat Düsseldorf in der Nachbarschaft des K21 einen Neuzugang zu verzeichnen, der mit den verfremdeten und auf Glasplatten belichteten Arbeiten Tobias Trutwins einen fulminanten Einstieg gibt. Biblische Themen und die christliche Kunst gehören zum Fundus des in Berlin lebenden Künstlers. So bildet Jean Fouquets bekannte Antwerpener „Madonna mit Kind und Engeln“ die Vorlage für eine erst bei genauem Hinsehen dreifache Selbstinszenierung Trutwins (5er-Auflage, 4 500 Euro). Der Einstand lässt auf weitere Impulse von Galerist Kai Brückner für die bisweilen etwas betuliche Düsseldorfer Szene hoffen.

KÖRPERKUNST. Herbsteröffnungen in den Düsseldorfer Galerien

1. September: 18 bis 22 Uhr
2. September: 12 bis 18 Uhr

Die Broschüre mit allen teilnehmenden Galerien liegt in Düsseldorfer Galerien und Museen aus.

Externe Links zu den im Text genannten Institutionen und Galerien:


TZR Galerie Kai Brückner