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IV. Infotext zur Ausstellung. TZR Galerie 21.5. bis 9.7.2010

Was verbindet die heiligen drei Könige mit berichterstattender Fotografie? Was hat die biblische Verkündigung mit der heutigen Kunstrezeption zu tun? In seiner Ausstellung iv schlägt Tobias Trutwin mit Hilfe seiner grossformatigen Glasbilder einen Bogen von religiöser Symbolik zu zeitgenössischer Medienrealität.

Die Erzählungen der Bibel waren und sind ein unerschöpflicher Fundus für die Kunst aller Epochen. Tobias Trutwin bezieht sich in seiner künstlerischen Arbeit insbesondere auf das monotheistische Bilderverbot und die Funktion der Gottesmutter als Methapher des Bildes. Seine Kunst kreist um Wahrnehmung und Kommunikation als relevante Aspekte kultureller Praxis.

Die Ausstellung iv zeigt eine komplexe Zusammenstellung von abstrakten und gegenständlichen Bildern in Glas und erinnert in ihrer Kühle an einen Versuchsaufbau. Petrischalen und Reagenzgläser, iv bedeutet in diesem Zusammenhang „in vitro“, „im Glas“ und bezeichnet einerseits das Material, andererseits verweist es auf das Thema der künstlichen Befruchtung. Künstliche Befruchung in Analogie zur „Verkündigung“, dem Moment, in dem das göttliche Wort im Leib Mariens zur Frucht wird. Für Trutwin ist, wie für viele Künstler vor ihm, dies eine Metapher für das Kunstschaffen. Denn ein geistiges Prinzip, eine Idee, wird vom Künstler in Materie überführt, um diese ins Leben, in vivo, zu entlassen.

Das zentrale Werk der Ausstellung ist „Pulizer Price 1994 (add noise)“, in dem Trutwin ein seinerzeit weltweit meistpubliziertes Pressefoto des Fotografen Kevin Carter weiterverarbeitet. Das originale Bildpersonal, ein auf den Boden gesunkenes sudanesisches Mädchen und ein hinter ihr wartender Geier, waren Anlaß für den Ausstellungstitel, iv, hier als „inverse Verkündigung“ zu verstehen, kündet die Aufnahme Carters doch, an Stelle des heilbringenden Engels, in Form des Geiers vom nahenden Tod des hungernden Kindes.

Graues „Rauschen“, ein Überangebot an Pixeln überlagert das Foto bis zur Unkenntlichkeit. Geier und Mädchen sind beinahe vollkommen abwesend. Statt dessen spiegeln sich Ausstellungsraum und Betrachter in der Glasoberfläche, Selbstrefexion als Grundlage zur Bedeutungskonstitution.

Das Tryptichon „Zeugen“, drei schwarz-violette Glasscheiben, thematisiert vor dem Hintergrund seiner biblischen Vorlage, den heiligen drei Königen, das Hinsehen und Erkennen. Betrachten oder besser, Sehen als Grundlage für Erkenntnisgewinn ist auch die Grundfunktion von Kunst, wozu Trutwin die Rezipienten seiner Werke auffordert. Der Künstler erweitert die Formensprache der abendländischen Kunstgeschichte, abstrakt oder gegenständlich, in den Galsbildern der Ausstellung iv. Er hat die Verlebendigung des Kunstwerkes (in vivo) auf dem Wege des „sehenden Sehens“ durch den Betrachter im Blick, woraus seine Werke ihre Wirkungskraft und Qualität beziehen.

Tobias Trutwin ist 1964 in Bonn geboren und beendete 2003 sein Studium als Meisterschüler bei Astrid Klein in Leipzig. Seine Arbeiten sind seither in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, zuletzt 2008 im Museum Kunstpalast Düsseldorf, 2009 bei den Minoriten in Graz und im Kunstverein Leipzig (Soloausstellung) und 2010 im Kunstraum Morgenstrasse, Karlsruhe. Im Sommer diesen Jahres wird er an einer Ausstellung des Kunstvereins Kassel im Fridericianum beteiligt sein.
TZR Galerie Kai Brückner