POST-DIGITAL Infotext / Pressetext zur Ausstellung TZR Galerie Kai Brückner. 7.9. - 26.10.2013
Die TZR Galerie präsentiert im Rahmen der DC Open 2013 neue Arbeiten von Pascal Dombis, Teilnehmer der diesjährigen Biennale Venedig.
Russolos Manifest L'arte dei rumori [Die Kunst der Geräusche] von 1913 erweiterte das Spektrum der Gestaltungsmittel in der Kunst um den Bereich der alltäglichen Umweltgeräusche. Er ebnete damit den Weg für die umfassende künstlerische Erkundung aller Geräusche bis hin zu der synthetischen Tonpalette, wie sie mithilfe moderner Computertechnik erzeugt wird.
Eine Arbeit von Pascal Dombis“ neuester Serie „Post_Digital Mirror“ ist Teil der Ausstellung „Noise“, einem sogenannten Collateral Event der diesjährigen 55. Biennale von Venedig. Mit dieser Ausstellung formulieren die Kuratoren, Barsanti, Carrer und Vecovo, unter Bezug auf das Manifest von Russolo den Begriff der „Noise Art“. Dem Konzept der Ausstellung zu Folge nutzen die beteiligten Künstlerinnen und Künstler Fehler und Zufall als Vorgehensweise und präsentieren die unkalkulierbaren Ergebnisse als eine künstlerische Sprache jenseits aller Kodierungsmöglichkeit. Am ehesten lässt sich diese Vorgehensweise wohl mit den Kompositionen der elektronischen „Glitch Music“ vergleichen, bei denen Fehler in der digitalen Datenverarbeitung Grundlage der Gestaltung sind. Kim Cascone entwickelt an der Beschreibung dieses Phänomens in der Musik erstmals im Jahr 2000 in seiner Abhandlung The Aesthetics of Failure: 'Post-Digital' Tendencies in Contemporary Computer Music den Begriff „Post-Digital“.
Die Bilder der Serie „Post_Digital Mirror“ setzen sich aus farbigen oder schwarz/weißen Flächen zusammen, die mit einer Prisma artigen Oberfläche bedeckt sind. Der Herstellungsprozess ist digital und computergestützt. Kleinste Ungenauigkeiten jedoch führen zu optischen Verwerfungen, die abhängig vom Blickwinkel des Betrachters eine sich ständig verändernde Form präsentieren. Je größer die verarbeiteten Datenmengen sind, desto unausweichlicher sind diese „Fehler“.
Wie schon in seinen früheren Werkgruppen zielt Dombis zunächst auf eine intensive physische Interaktion zwischen Bild und Betrachter. Wie große Spiegel scheinen die Flächen den Raum vor ihnen zu reflektieren. Die Erwartung jedoch, sich selbst und den Umraum von einer Position aus wiedererkennen zu können, erwirkt ein Wechselspiel aus Versuch und Scheitern.
Nie erweist sich ein Blick als der richtige. Eine Überflutung von Information im Bild bietet bei kleinsten Bewegungen neue Ansichten. Die „Post_Digital Mirrows“ von Dombis entfalten ihr Leben nur in der Aktivierung durch den sich bewegenden Betrachter. Das digitale Bild ist ohne „analoge“ Zutat, den Menschen und seine Wahrnehmungsbedingungen und -gewohnheiten nicht komplett. Im Sinne einer „Post-Digitalen“ Künstlergeneration geht Dombis von der selbstverständlichen Gegenwart digitaler Technik aus und nutzt sie. Sein Konzept schlägt jedoch die Brücke zurück in die analoge Wirklichkeit, in der der Mensch im Zugriff auf die neue, digitale Welt selbstbestimmt agiert.
(Kai Brückner)
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