räume 1: orbitale hülle. 19. März bis 7. Mai 2011. Pressemitteilung
Thomas Woll greift mit seinen Installationen in die vorgefundene Architektur des Ausstellungsraumes ein. Die einfachen Strukturen eines „White Cube“, weiße glatte Wände, rechtwinklige Räume und möglichst neutrale, gleichmäßige Lichter werden unscharf, besser: verschwinden.
Neue Formen erscheinen, technoid, aus Beton und Holz oder industriell gefertigten Materialien. Alles scheint einen Zweck zu haben, Wolls Einbauten erinnern an Funktionsarchitektur; Trafokästen, Schaltpulte, Türen, Rohrverbindungen und Lichtschächte. Die Besucher der „Orbitalen Hülle“ betreten einen neuen, neuartigen Raum, bestimmt von Dunkelheit und technischen Details, deren Nutzen sich nicht erschließt. Die allgegenwärtige „Baustoff-Ästhetik“ erscheint als massiver Gegenentwurf zu jedwedem Weltbild, das sich auf virtuelle Wahrheiten, digitale Vernetzung und Datenströmen im Megabit-Sekundentakt stützt. Man mag zweifeln, ob das Handy hier noch ein Netz finden wird. Dennoch: Wolls neu geschaffener Raum behauptet Wirklichkeit, machtvoll und unzweifelhaft. Abgekoppelt von der Welt wird die Erwartung einer normalen Raumerfahrung enttäuscht. An ihrer statt bietet die „Orbitale Hülle“ den Betrachtern eine Vielzahl von Andeutungen, Hinweise auf eine andere, aber immerhin mögliche Realität, die zu ergründen man aufgefordert ist. Eine vollkommene Neuorientierung ist von Nöten, schnelles Hin- und Weiterschauen unmöglich. Mit einer derart geschärften Aufmerksamkeit treten die 2 Bildschirme der Installation in den Blick: das Herz des Künstlers, in Schwerelosigkeit schlagend und ein Kameraschwenk über die verriegelten Fassaden einer Geisterstadt im rheinischen Braunkohle-Abbaugebiet. Zwei Bildschirme, zwei Filme, Begriffspaare: Ansicht und Einsicht, innen und außen, Inhalt und Form, Individuum und Gruppe, Funktion und Stillstand, Hülle und Kern, Leben und Tod, … Die Installation von Thomas Woll lädt ihre Betrachter ein, von genormter Dingwahrnehmung befreit, den Andeutungen von räumlicher und begrifflicher Neuorientierung zu folgen, sich selbst zu beobachten im Reflex auf die „Orbitale Hülle“. Entschleunigung und die spürbare materielle Schwere sind zwei wesentliche Qualitäten dieses Prozesses, Risiken und Nebenwirkungen verheißen nur Gutes.
Mit „Räume 1: Orbitale Hülle“ startet die TZR Galerie Kai Brückner eine Reihe von Ausstellungen, in denen Künstlerinnen und Künstler die Architektur der Galerie zur Grundlage einer umfassenden Installation machen. Wir erwarten die verschiedensten Inszenierungen, in denen sich Farben, Formen, Materialien und Licht von Bildviereck und Sockel frei machen und den Besuchern der Galerie ein umfassendes Kunsterlebnis anbieten. |